Der Signature-Song „Kaltes Klares Wasser“ der Westberliner Avantgarde-Band Malaria! aus den 1980er-Jahre wurde x-mal gecovert und remixed. Und war doch noch nie so gut wie im Original. Vier Jahrzehnte nach dem musikalischen Urknall bei einer Live-Performance der Band klingt „Kaltes Klares Wasser“ in Zeiten von Hitze und Dürre wahlweise nach düsterer biblischer Prophezeiung oder Erlösungsfantasie – what you get is what you want!

Wasser …

Was, wenn es bald keins mehr gibt?

Wenn wir Wüste werden.

Die Bäche: versiegt.

Die Flüsse: vertrocknet.

Letzte Rinnsale.

Im steinernen Bett.

Wenn wir Wüste werden: Was werden wir tun? 

Wasser, denkst du.

Kaltes, klares Wasser.

In deinen Träumen.

In überhitzten Nächten.

Kaltes Klares Wasser …

über meine Hände/ über meine Arme/  über meine Schultern/ über meine Beine/ über meine Schenkel/ über meine Brust/ Kaltes Klares Wasser/ über meine Hände/ über meine Arme/  über meine Schultern/ über meine Beine/ über meine Schenkel/ über meine Brust/ ich mache meinen Augen zu!/ Kaltes Klares Wasser/ Kaltes Klares Wasser ….

MALARIA!

Eine Band.

All female.

Ihr Style: Androgyn.

Ihr Sound: Minimal. Experimentell.

Die Sprache: Schneidend.

„Was willst du? Karriere?/ Da hast du. Karriere/ Was willst du? Vergnügen?/ Da hast du. Vergnügen./ Was willst du./ Was willst du? Den Krieg?/ Hier hast du ….“

Malaria!-Songs hießen: „Geld – Money“, „Macht – Power“, „Leidenschaft – Passion“, „Gewissen“, „Mensch“, „Tod – Death“.

„Teutonic“ nannten das die Briten – auch wegen des unzweifelhaft vorhandenen Unbehagens, einer gewissen Erdenschwere, die Malaria! in ihrer ansonsten durchaus tanzbaren Musik transportierten.

„Nur wenige der vielen Rock-Überdrüssigen konnten damals benennen, dass es eine Männerkultur war, derer man überdrüssig war: einer heterosexuellen, sich nunmehr seit einem Vierteljahrhundert austobenden Selbstbefreiung von Dudes“ , schreibt der Poptheoretiker Diedrich Diederichsen im Vorwort zur 2021 unter dem Titel „M_Dokumente“ erschienenen Werkschau der Westberliner Frauenbands Mania D., Malaria! und Matador.

Die „M-Bands“ waren drauf und dran.

„Es war die Zeit „zwischen Bowie in Schöneberg (…) auf der einen und Mauerfall und Techno auf der anderen Seite“, so Diederichsen, „und alles, was die M-Bands machen würden, ob sie sich in Richtung Melancholie und Opium oder Richtung Disco, Robot und Sequenzer-Marsch lehnten, war in allen Disziplinen sehr weit weg von Rock und doch sehr selbstverständlich, sehr stilbildend“.

Mania D., Malaria! und Matador waren ihr eigener Kosmos.

Ein Bandkonzept mit und um die Musikerinnen Bettina Köster und Gudrun Gut.

Aggregatszustand: Fluide…

„Die Idee zu „Kaltes Klares Wasser“ hatte ich zu Hause in Berlin gehabt“, erinnert sich Bettina Köster, Sängerin und Texterin der 1981 gegründeten Malaria!: „Ich lag im Bett und weil es in meiner Wohnung eiskalt war, habe ich einen dicken Joint geraucht und fürchterlichen Durst bekommen. Ich wollte aber nicht aufstehen und dann war es plötzlich in meinem Kopf: Kaltes, klares Wasser! Ich will jetzt kaltes, klares Wasser! So ist der Text entstanden.“ 

Musikalisch ausformuliert hat ihn die Band zum ersten Mal bei einer ihrer (ungezählten) Live-Performances.

„Sie wirkten stark, selbstbewusst, aber auch total exotisch auf mich“, sagt der selbst tief in Punk, Blues und Rock verwurzelte Singer/Songwriter Nick Cave über eine jener Nächte im Jahr 1981 „or maybe 1982“, als er die Band mit dem klirrend-frostigen Sound im Washingtoner 9:30 Club zum ersten Mal live erlebte:

„They had a bizarre, hypnotic fractured synth sound, full of inscrutable lyrics, half German, half English. But they presented a kind of music in which I had very little interest at that time – electronic music – in such a unique, compelling and seductive way, that, well, I was won over.“

Das Aufeinandertreffen damals mit Malaria! habe sein Leben verändert und seine Musik, so Cave:

„They guided me into a form of music that would have a profound influence over me and continues to do so this day.“

Du siehst Cave vor dir.

Won over.

Kaltes klares Wasser.

Kaltes Klares Wasser.

Benetzt jetzt deine Stirn.

„Wir waren total fertig. 23, 24 Jahre alt und schon total durch. Wir hatten ja drei Jahre durchgespielt, waren nur unterwegs“. Malaria! (1981-84) / Foto: Moabit Musik
Malaria! wurden 1981 von Gudrun Gut (Schlagzeug, Gesang) und Bettina Köster (Gesang, Saxofon) gegründet. Gigs mit befreundeten Bands wie Siouxsie and the Banshees und New Order, in Venues wie dem Londoner Bat Cave, dem New Yorker Mudd Club oder den Pariser Bains Douches, sicherten Malaria! schnell eine internationale Fanbase. Andere innovative Künstlerinnen wie Christine Hahn von Glenn Brancas The Static, Susanne Kuhnke von der Post-Punk-Band Die Haut oder Manon Duursma von Nina Hagens O.U.T.-Projekt fühlten sich angezogen und wurden Teil des Malaria!-Kosmos. 1982 erschien "Emotion", das Debütalbum der Band, auf Gudrun Guts eigenem Label Moabit Musik (heute: Monika Enterprise). Ihren erfolgreichsten Track "Kaltes Klares Wasser" von 1981 veröffentlichten Malaria! aber erst auf "revisited" (1991). 1984 löste die Band sich vorerst auf. Seither haben Malaria! in unregelmäßigen Abständen neues Material veröffentlicht. Gudrun Gut und Bettina Köster sind bis heute als Musikerinnen und Produzentinnen aktiv. Die im Text erwähnten "M_Dokumente", aus denen auch die Zitate stammen, sind Ende letzten Jahres im Ventil Verlag erschienen (184 S., ca. 35 Euro)