Die Sängerin und Songwriterin Fiona Apple hat den Beatles-Klassiker „Across the Universe“ auf Stand gebracht: Der fröhliche Eskapismus, die kosmische Crazyness sind raus. Es ist Zeit, aufzuwachen. Warum, zeigt der Clip zum Song – eine Metapher für die um sich greifende Müdigkeit postmoderner westlicher Demokratien und ihre Anfälligkeit für Angriffe von Rechts

Eine Parkbank fliegt in die Auslage eines Soda Shops. Die Scheibe zerbirst und noch im Splitterregem stürmt ein rechter Mob, bewaffnet mit Baseballschlägern, das Lokal und haut in 4:16 alles zu Klump.

Mehr passiert nicht im Video zu „Across in the Universe“, Fiona Apples Coverversion des gleichnamigen Beatles-Songs. Aber mehr braucht es auch nicht, um diesen Clip zu dechiffrieren: In einer Welt, in der Rechtspopulismus und -extremismus zunehmend die politische Agenda bestimmen, wirken diese Bilder wie eine Metapher.

Apple, 46, US-Sängerin und Songwriterin, hat „Across the Universe“ schon einmal aufgenommen, 1998, für den Soundtrack zum Film „Pleasantville“. Die jetzt veröffentlichte Version ist ein Remastering. Den Clip dazu hat sie vor einem Jahr kommentarlos online gestellt. Das passt zu ihr. 

Die gebürtige New Yorkerin, die heute in einem Haus mit eigenem Studio in Venice Beach/ Kalifornien lebt, hat sich seit dem frühen Erfolg ihres Debütalbums „Tidal“ von 1996 weitgehend aus dem Musikgeschäft zurückgezogen. Als Feministin fühlt sie sich in diesem männerdominierten „Bullshit“-Business, wie sie es einmal genannt hat, nicht wohl. Sie hat weder Lust, sich künstlerisch bevormunden zu lassen, noch auf den branchenüblichen Bohei. Ob und wann sie was veröffentlicht, entscheidet sie selbst, und auch, wie sie damit umgeht.

„Across the Universe“ ist Apples jüngste Statusmeldung seit „Fetch the Bold Cutters“, ihrem letzten Album von 2020: Suggestiv, gespenstisch, alarmierend. Ein Stück aus der realen Welt. Der Gegenentwurf zur kosmischen Crazyness des Originals aus den späten Sechzigern, als die Beatles bei Maharishi Mahesch Yogi in Indien die Flucht in die Transzendentale Meditation antraten.

„Sounds of laughter shades of life are ringing/ Through my open ears inciting and inviting me/ Limitless undying love which shines around me like a million suns/ It calls me on and on across the universe“, heißt es in den verstrahlten lyrics von John Lennon, angemessen gaga. 

Derselbe begnadete Musiker, der später mit der Friedenshymne „Imagine“ (und unter dem Einfluss seiner zweiten Ehefrau Yoko Ono) doch noch politisch wurde, zeigt sich hier komplett abgespacet und freut sich hörbar seines Eskapismus’: „Nothing’s gonna change my world/ Nothing’s gonna change my world/ Nothing’s gonna change my world/ Nothing’s gonna change my world“.

Fiona Apple zieht ihm jetzt den Stecker.. 

„Across the Universe“, Fionas Version, ist der ultimative Weckruf für alle, die gern wegschauen, relativieren, die sich in ihrer Bräsigkeit eingerichtet haben und glauben, dass alles bis in alle Ewigkeit so bleibt wie es ist, ohne dass man dafür etwas tun müsste. Überspitzt könnte man sagen: Der Clip ist eine Intervention, das Verzögerte, Verschlurfte, die Müdigkeit, mit der der Song hier um die Ecke kommt, ist die Müdigkeit postmoderner westlicher Demokratien.

Apple ist diese Entwicklung sichtbar nicht geheuer: Ihr wachsendes Unbehagen an dem, was man weltweit „Rechtsruck“ nennt, übersetzt sie in quälend langsame Zeitlupen-Bilder. Sie will, dass man hinschaut. Das nervt. Aber es führt auch dazu, dass man ins Grübeln kommt: Was muss passieren, damit eine Gesellschaft (wie die unsere), die sich gerade mit voller Absicht in ihre Bestandteile zerlegt, die Gefahr von Rechts erkennt, die alle bedroht?

Der Rechtsanwalt und Publizist Michel Friedman hat in diesem Zusammenhang, mit Blick auf den in Deutschland gerade wieder aufflammenden Antisemitismus und das Erstarken der AfD, vor Kurzem einen erschreckenden Befund geliefert. Seit Gründung der Bundesrepublik, so Friedman, habe Deutschland sich und der Welt einreden wollen, man habe aus der Nazizeit gelernt und deswegen gebe es weder Nazis noch Neonazis: „Wir wissen, dass das ein Selbstbetrug und eine Lüge ist.“

Tatsächlich habe sich die rechtsextreme Szene auch wegen eines massiven Versagens der Sicherheitsbehörden Jahrzehnt für Jahrzehnt organisieren und verfestigen können, in Westdeutschland wie in Ostdeutschland: „Die Häuser brannten nicht nur in Hoyerswerda und Rostock, sondern auch in Mölln und Solingen. Es geht nicht nur um Judenhass, sondern um Rassismus, um Menschenhass.“

Und wie reagieren wir? 

„Gleichgültigkeit und Trägheit sind Merkmale der neuen Modernität“, stand neulich irgendwo. Und Fiona Apple hat dafür das passende Bild gefunden. 

Sie hat sich selbst in ihren Clip hinein montiert: Mal sitzt sie irgendwo in einer Ecke des Lokals, mal mittendrin, mit Over Ears überm Kopf, als gingen die Riots, die Orgie der Zerstörung, die um sie herum tobt, sie nichts an. Noch im Auge des Hurrikans dreht sich Fiona hier (buchstäblich) um sich selbst – ein bisschen psychedelisch sieht das aus, mit freundlichen Grüßen an Lennon und die Beatles vielleicht. Man kann es aber auch als Warnung verstehen – und als dringende Aufforderung, endlich den Verstand einzuschalten.

Speziell Deutschland und die Deutschen sind da, wieder mal ,verdammt spät dran. 

Fiona Apple hat seit ihrem 1996er-Debüt mit "Tidal" (samt der mit einem Grammy ausgezeichneten Single "Criminal") noch vier weitere Alben veröffentlicht, die ebenfalls erfolgreich waren, aber sperriger gerieten und bei ihren Labels - anders als bei ihren Fans und in der Fachpresse - auf wenig Gegenliebe stießen. Im Gegensatz zum barbierosa schimmernden Mainstream ist Apples musikalische Welt eher rough, verschattet und grau, dass sie überhaupt angefangen hat Songs zu schreiben, war eine Reaktion auf das in der Kindheit erlittene Trauma eines sexuellen Übergriffs. Apple denkt und handelt politisch. Als 2017 am Tag der Amtseinführung von Donald Trump Zigtausende Amerikaner:innen beim Women's March on Washington für Frauen- und Menschenrechte demonstrierten, widmete sie der Bewegung einen eigenen Song ("Tiny Hands")