„Was man nicht von mir erwartet hätte: dass es funktioniert“, sagt der interdisziplinäre Autodidakt und Lebenskünstler Joachim Franz Büchner über das erste Album seiner Joachim Franz Büchner Band. „Ich bin nicht Joachim Franz Büchner“ (auch das noch!) versöhnt den Diskurs-Pop der „Hamburger Schule“ mit dem Dancefloor – wurde ja auch Zeit

Schwindendes Licht. Länger werdende Schatten. Wasser. Brücken. Kräne. Man kann die Elbe richtig riechen: das Brackwasser, das Schmieröl, den Schiffsdiesel. Und an den Kai hat Robin Hinsch im Trailer für das erste Album der Hamburger Joachim Franz Büchner Band ihn gestellt:

Joachim Franz Büchner.

Im Paisleyhemd zum Friesennerz, mit schwarzen Mir-doch-egal-Hosen und Retro-Sneakern bewegt er sich durchs Bild, als hätte jemand Felix Krull das falsche Outfit rausgelegt.

Wind fährt ihm ins Haar, bringt Songfragmente und Textzeilen mit, mal mysteriös, mal komisch, mal manisch, mal betrübt, aber nie unter Niveau. Immer im Spannungsfeld von Sprache, an der die Musik sich reibt und deren Sinn, wenn’s hart kommt, nur einer versteht:

Joachim Franz Büchner selbst.

Meine Freunde sagen „Joachim: / Du hast dich an dir selbst verschluckt“ heißt es im selbstironischen „Bottom of the Pops“, einer Anspielung auf „Top of the Pops“, die legendäre TV-Show der BBC. Und, ja, man kann sagen: So richtig im Klaren darüber, wer er ist und wie groß, ist sich Büchner selber nicht. Das gibt er auch ganz offen zu.

Ich bin die sanfte Revolution / Und ich komme Ton für Ton / Ich bin die perfekte Sensation / Und Deine ersehnte Obsession, tönt er in „Ein Star, der in ist“. In „Bottom of the Pops“ aber rudert er wieder zurück: Die Unglaublichkeit ist überschaubar  / ich wink herab vom Aquädukt …

Ich bin nicht Joachim Franz Büchner heißt das erste Album seiner Joachim Franz Büchner Band. Auch das wirft Fragen auf, die Büchner gern beantwortet: „Nicht ich selbst sein zu wollen“, sagt er, „entlastet ja auch.“

Der Albumtitel nimmt den Fokus weg von ihm und das ist okay. Es ist korrekt. Denn seine Band ist ein Glücksfall für ihn: Ein Schwarm von Musiker*innen der Hamburger Indie-Pop-Szene wie Pola Lia Schulten (Jens Friebe, Zucker!), Philipp Wulf (Messer, ehemals Die Heiterkeit) und Christian Heerdt (Botschaft, Scharping), die sich in der Nachfolge von Bands wie Tocotronic oder Blumfeld als Erneuerer der so genannten „Hamburger Schule“ verstehen.

Gemeinsam lassen sie hier den Büchner-Kosmos, seine, wie er sagt, „ganz eigene Art des Erzählens“, in Klangfarben von Krautrock und Neo-Soul, knochentrockenem Funk und höflichem Gitarren-Pop erstrahlen.

Es gibt Chöre und verlorene Trompeten.

Es gibt, wie in dem von Juno Meinecke im Zombie-Style gedrehten Clip „Geheime Macht“, der Leadsingle des Albums, eine Grundnervosität, ein zappeliges, rhythmisches Stolpern, das an die Talking Heads der „Remain in Light“-Phase erinnert.

Es gibt Appellatives, musikalisch zwischen Scritti Politti und Gang of Four Beheimatetes wie die ultimative Aufforderung zur Selbstermächtigung in der ersten, aus dem Album ausgekoppelten Single „Aus doppelter Dunkelheit“:

Fütter Deinen Kopf mit allem, was er braucht / Fütter Deinen Topf und mach ihn heiß, bis es raucht / Du kochst gar nicht so schlecht wie Du denkst! Nur Mut, Kopf hoch / Es kommen auch bessere Zeiten / E-M-A-N-Z-I-P-A-T-I-O-N! ! 

Der Text lässt die Musik, die Musik den Text auf diesem Album nie allein. Ich bin nicht Joachim Franz Büchner ist: Diskurs-Pop für den Dancefloor? 

Damit, sagt Büchner, könne er leben: „Also ja, sehr gerne! Warum nicht?“ So hinreißend seine Platte klingt, so hingerissen ist er selbst: „Was man von mir nicht erwartet hätte“, sagt er: „Dass es funktioniert.“ Aber das ist reinstes Understatement. 

Büchner hat nicht nur die Songs geschrieben, er hat die Platte auch produziert. Frank Spilker (Die Sterne) beschreibt ihn als „interdisziplinären Autodidakten und bunten Hund der Hamburger Musikszene“. Nennt ihn, hörbar wertschätzend, einen „Teamplayer“. 

Der Anfang 30- oder Anfang 40-Jährige Büchner (mal so, mal so) hat in mehreren Bands gespielt (Bessere Zeiten, Erneuerbare Energien, Der Bürgermeister der Nacht), mit Kunst experimentiert wie jetzt mit Sprache. Und im Fall von Ich bin nicht Joachim Franz Büchner verdichtet sich das alles mit der Musik zu einem ebenso lässigen wie informierten Auftritt.

Wie heißt es in „Geheime Macht“: Wir sind oldschool und progressive / Wir sind massive und obsessive / Wir sind ein Knotenpunkt im Nichts / Wir sind Erkenntnisse des Lichts!

Nicht zögern, ausprobieren!

Das Album „Ich bin nicht Joachim Franz Büchner“ ist bei Buback Tonträger erschienen. Was hier zur Blüte kommt, hatte sich auf „Viel Spaß in der Zukunft“ von der Band „Der Bürgermeister der Nacht“ (Misitunes) bereits angedeutet. Die Platte war der Versuch, die Genregrenzen zwischen Musik, Kunst und Literatur aufzubrechen. Auch stellte Büchner schon seine Qualitäten als Netzwerker unter Beweis, indem er Gastmusiker*innen wie Veronica Burnuthian von den Münchner Friends of Gas oder Flumroc von der Züricher Band Saalschutz für das Projekt gewann. Regelmäßige Updates aus dem Büchner-Kosmos gibt’s im Podcast „Neues aus der Opiumhöhle“